03.03.2025

Highlights der Berlin Fashion Week

Harmonische Verbindung von Mensch und Materialien liegen im Trend


Die Berlin Fashion Week war dieses Mal mehr als nur eine Aneinanderreihung von Schauen und Trends – sie war eine tiefgehende Auseinandersetzung mit der Verbindung zwischen Mensch und Material. Für mich war diese Woche besonders intensiv, da ich nicht nur als Modejournalistin, sondern auch als Gastgeberin des offiziellen Side-Events Backstage Pass involviert war.

Ich habe Interviews geführt, Gespräche moderiert und aus nächster Nähe erlebt, wie sich Mode in Berlin gerade neu definiert


Couture im Berghain, nachhaltige Avantgarde, Modekritik mit Tiefgang – und ein Catwalk, der selbst für Models zur Herausforderung wurde. In dieser persönlichen Recap nehme ich euch mit durch die Modewoche, die echt ein knackiger Start ins Jahr war. Denn hinter Events steckt sehr viel Vorbereitung.

Wer die spannendsten Designer:innen sind, welche Trends mich begeistert haben und warum Berlin endlich selbstbewusster zur eigenen Mode stehen sollte – all das gibt’s hier.

Odeeh: Handwerk in Aktion und eine Reise durch die Modegeschichte


Eines der ersten Highlights für mich war die Atelier-Installation von Odeeh. Ich liebe es, wenn Mode über den Laufsteg hinaus erlebbar wird, und genau das haben Otto Drögsler und Jörg Ehrlich mit ihrem offenen Atelier geschafft. In ihrem zukünftigen Store auf der Potsdamer Straße gewährten sie einen seltenen Blick hinter die Kulissen des Schneiderhandwerks – etwas, das in der heutigen, schnelllebigen Modewelt oft übersehen wird.

Besonders inspirierend war mein Gespräch mit Otto Drögsler.


Er sprach offen über seine Zeit bei Jil Sander und Karl Lagerfeld – zwei Persönlichkeiten, die Mode völlig unterschiedlich interpretierten. Während Lagerfeld grenzenlose Kreativität zuließ, solange das Handwerk stimmte, hatte Jil Sander eine kompromisslose Vision ihres Stils.

Diese Gegensätze zeigen, wie wichtig es ist, in der Mode seinen eigenen Weg zu finden – eine Erkenntnis, die mich auch als Journalistin und Mentorin begleitet.

Zeichnungen von Otto Drögsler (Odeeh)

Maximilian Gedra: 26.000 Sicherheitsnadeln

Maximilian Gedra: Berghain als Bühne für avantgardistische Couture


Dann kam ein Moment, den ich so schnell nicht vergessen werde: Die Show von Maximilian Gedra im Berghain. Mein Herz schlägt für Techno, das ist wohl was bleibt, wenn man fünf Jahre in Berlin gewohnt hat – rau, unkonventionell und dennoch voller Ästhetik.

Maximilian hat einmal mehr bewiesen, dass Couture nicht nur in Paris ihren Platz hat, sondern auch hier, in einer Stadt, die sich nicht an Regeln hält.


Dass seine Kollektion international für Aufsehen sorgt, wurde mir spätestens klar, als ich von einem ganz besonderen Moment erfuhr: Lady Gaga trägt seine Designs in ihrem neuesten Musikvideo "Abrakadabra"! Diese Anerkennung aus der Popkultur ist der ultimative Beweis für die Relevanz seiner Arbeit.

Seine Show hieß "The Office" und forderte Alltagsgegenstände aus dem Büro heraus: ein Kleid aus 26.000 Sicherheitsnadeln oder ein Mantel aus Krawatten, die auf dem Boden schliffen.

Backstage Pass: Mode reflektieren und gestalten


Während die Runways von opulenten Inszenierungen geprägt waren, war es mir wichtig, mit dem offiziellen Side-Event Backstage Pass einen Raum für Reflexion zu schaffen.

Tonya Matyu kuratierte eine Ausstellung mit intimen Backstage-Fotografien – ein Blick auf die Momente, die normalerweise verborgen bleiben. Um den Raum zum Leben zu erwecken, moderierte ich Gespräche.

Es ging um die großen Fragen der Branche: Wie können wir Mode transparenter und fairer gestalten? Was bedeutet Erfolg in einer sich ständig wandelnden Industrie?


Florian Müller sprach über mentale Gesundheit in der Modewelt, Vivien Wysocki teilte ihre Erfahrungen mit der Gründung von Saint Sass (deren Strumpfhosen inzwischen sogar Kendall Jenner begeistern), und ich selbst launchte meine Fashion Journalist Masterclass – eine Plattform, die aufstrebende Modejournalist:innen auf ihrem Weg begleitet.

Diese Diskussionen waren für mich der Beweis, dass Mode weit mehr ist als nur das, was wir auf den Laufstegen sehen. Sie ist Identität, Politik, Kunst – und eine Industrie, die Verantwortung übernehmen muss.

Florian Müller: Mental Health in Fashion

Tonya Matyu: Austellung von Backstage Fotografie

Hanan Besovic: Viral Fashion Commentator

Philipp Urschel: Unit Lead Fashion bei BOLD

Hanan Besovic: Warum feiert Deutschland seine eigene Mode nicht?


Ein weiteres Highlight für mich war das Gespräch mit Hanan Besovic, dem Mann hinter @ideservecouture. Mit fast 500.000 Followern analysiert er die Modewelt mit einer Mischung aus Humor und scharfem Blick – und genau diese Mischung brachte er auch zur Berlin Fashion Week.

Warum wird die deutsche Modewoche nicht mehr von Deutschen selbst gefeiert? Während er sich von Kollektionen wie denen von Lou de Bètoly und Haderlump begeistert zeigte, begegnete ihm in Berlin oft Kritik.


Ich kann seinen Punkt nachvollziehen – wir haben hier so viel Talent, aber die Wertschätzung kommt oft von außen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir selbstbewusster hinter unserer eigenen Fashionweek stehen.

Das Interview in voller Länge:

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Hanan Besovic

Backstage Pass Event

Backstage Pass Event

Goodiebag

Alina Eckert vom Freundin Magazin

Lou de Bètoly & Haderlump: Wenn Vergangenheit und Zukunft verschmelzen


Wenn es um nachhaltige Handwerkskunst geht, sind Lou de Bètoly und Haderlump für mich die spannendsten Namen der Berliner Szene.

Lou de Bètoly, alias Odély Teboul, präsentierte ihre Kollektion im Clärchens Ballhaus – ein Setting, das genauso nostalgisch wie avantgardistisch wirkte. Ihre Designs? Eine Liebeserklärung an Upcycling auf höchstem Niveau. Vintage-Lingerie verwandelte sich in skulpturale Bustiers, alte Brokatdecken in atemberaubende Abendkleider. Sogar Fahrradreflektoren wurden zu einem Minirock-Top-Set verarbeitet.


Jedes Teil war ein Unikat, jedes Detail handgefertigt – Couture, die nachhaltig und kompromisslos kreativ ist. Ähnlich beeindruckend war die Präsentation von Haderlump, dem Label von Johann Ehrhardt. Er zeigt, dass Deadstock und recycelte Materialien nicht nur eine nachhaltige Wahl sind, sondern auch eine visuell beeindruckende Ästhetik erzeugen können.

Besonders spannend finde ich, dass Haderlump nicht nur in Berlin gefeiert wird – auch international, auf der Paris Fashion Week und bei der Pitti Uomo in Florenz, hinterlässt das Label seine Spuren.

Sia Arnika: Neopren, Wellen und ein rutschiger Catwalk


Ein Moment, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist, war die Show von Sia Arnika. Ihre Designs sind eine Fusion aus urbaner Coolness und maritimen Einflüssen – und genau das spiegelte sich auch in ihrer neuesten Kollektion wider.

Doch bevor ich überhaupt die Details der Looks aufnehmen konnte, passierte etwas, das in der Modewelt gefürchtet, aber manchmal unvermeidlich ist: Der Catwalk war rutschig, und einige Models hatten sichtbar Probleme, sich auf den Beinen zu halten. Als ich nach der Show mit Sia sprach, musste sie lachen, als ich sie darauf ansprach. Sie meinte:


„Ich habe den Catwalk selbst getestet – für mich war er völlig in Ordnung. Aber ich komme auch vom Strand …“ Und genau dieser Hintergrund war auch in ihren Materialien spürbar: Neopren, Wellenstrukturen, fließende Schnitte, die an den Ozean erinnern. Ihre Designs tragen das Meer in sich – eine erfrischende, unkonventionelle Ästhetik, die Berlin um eine neue Facette erweitert.

Dass ihr Stil auch international ankommt, zeigt eine spannende Entwicklung: Kylie Jenner hat sie nach einer Kooperation angefragt. Ein Moment, der zeigt, dass Berliner Avantgarde längst über die Stadtgrenzen hinaus Strahlkraft hat.

Fazit: Mode mit Haltung


Nach dieser intensiven Woche bleibt für mich eine Erkenntnis: Die Berlin Fashion Week ist längst mehr als nur eine Plattform für Trends. Sie ist ein Raum für Innovation, Handwerkskunst und kritische Reflexion.

Die Zukunft der Mode liegt nicht nur in neuen Silhouetten, sondern in der bewussten Verbindung von Mensch und Material – einer Balance aus Ästhetik, Ethik und Innovation.


Und wenn ich eines aus meinen Gesprächen und Erlebnissen mitnehme, dann das: Wir müssen nicht auf Anerkennung aus Paris oder New York warten.

Berlin hat alles, was es braucht, um Modegeschichte zu schreiben. Wir müssen nur selbst daran glauben – und es laut sagen.

Sia Arnika Fall 2025

Haderlump Fall 2025